Die Zukunft des Handels: So lassen sich Lieferketten überblicken

Die Corona-Krise hat mit zeitweisen Grenzschließungen, Staus und generellen Verzögerungen die Handelslogistik stark herausgefordert. Doch auch in den Zeiten nach der Pandemie wird das Transportwesen große Aufgaben zu bewältigen haben. Nicht nur, dass der Boom des E-Commerce die Anforderungen an Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit erhöhen wird – auch die Ansprüche der Kund:innen an Flexibilität und Umweltverträglichkeit des Transportes steigen. Eine Vernetzung über softwareunterstützte Plattformen kann dem Handel zu mehr Effizienz, Resilienz, Flexibilität und Nachhaltigkeit verhelfen. Wie konkret das aussehen kann, erklärt Tom Krause, CEO des Hamburger Logistik-Technologie-Unternehmens Cargonexx, in diesem Beitrag.

Tom Krause, CEO Cargonexx GmbH

Tom Krause, CEO Cargonexx GmbH (Foto: Tom Krause)

Die Pandemie hat weltweit Lieferketten unterbrochen und durcheinandergewirbelt. Regale blieben leer, weil LKW und mit ihnen die Waren in Grenzkontrollen feststeckten. Auch die Hamsterkäufe von Produkten wie Nudeln, Konserven oder Desinfektionsmittel strapazierten Lagerbestände und somit die Lieferketten. Um dennoch zeitnah für Nachschub zu sorgen, mussten die Logistiker:innen oftmals kurzfristig neue Lieferkapazitäten schaffen und Routen neu planen – eine hartes Stück Arbeit, denn sowohl die Anzahl von LKW als auch die der Fahrer:innen ist begrenzt. Einige Logistiker:innen heuerten deswegen kurzfristig Carrier aus anderen Bereichen wie der Veranstaltungs- und Messebranche an, um die Lieferketten aufrechtzuhalten.

Bei den Bemühungen, die Beeinträchtigungen und Veränderungen in den logistischen Abläufen zu meistern, zeigte sich ein großes Defizit der Branche: die fehlende digitale Vernetzung und die damit verbundene Intransparenz der Lieferketten. Wie dringend hier der Nachholbedarf ist, verdeutlicht das übliche Prozedere bei Verspätungen, die massiv auftreten – und zwar nicht nur corona- sondern auch wetterbedingt, wie die Extremsituationen auf den deutschen Autobahnen im März dieses Jahres zeigten. Sie werden üblicherweise per Telefon durchgegeben – und meist erst dann, wenn sie bereits eingetroffen sind. Sowohl für den Logistiker als auch für den Handel bedeutet dies ein hohes Maß an Intransparenz, denn beide haben kaum Möglichkeiten, sich über den aktuellen Standort der Ware zu informieren.

Verzögerungen in der Transportlogistik sind dabei nicht nur ein Problem in Krisenzeiten wie der jetzigen. Die Pandemie hat lediglich die Anzahl der Störungen in der Lieferkette in die Höhe schnellen lassen. Auch in "normalen" Zeiten sind die Lieferketten für den Handel höchst intransparent. Die Folgen: Stockt der Warenfluss, können Entladeprozesse und der notwendige Personaleinsatz nicht vorausschauend umgeplant werden. Noch verheerender: Kund:innen stehen nicht nur vor leeren Regalen – auch Märkte erhalten keine verbindliche Angaben darüber, wann die Lieferung eintritt. Das gleiche Bild ergibt sich in puncto Direktbelieferungen im Online-Handel: Mangelnde Informationen über verspätete Sendungen sorgen auch hier regelmäßig für Unmut. Wer hat noch nicht vergeblich zu Hause auf den Paketdienst gewartet?

Digitalisierung sorgt für Effizienz

Digitale Vernetzung über Plattformen sorgt für mehr Transparenz der Lieferketten und kann zusätzlich deren Resilienz erhöhen. Damit verbessert sich die Qualität logistischer Dienstleistungen entscheidend. So kann sich beispielsweise der Einzelhandel wesentlich effizienter auf Lieferverzögerungen einstellen, indem er jederzeit Zugriff auf Informationen über den Standort der Ware hat. Digitale Plattformen können dies leisten, indem sie die Positionsdaten von LKW und deren Waren mit Hilfe von GPS tracken und so allen Akteuren des Transportnetzwerks ein transparentes Bild der oftmals komplexen Lieferketten bieten – inklusive automatisierte Informationen über Verspätungen. Das Entladen der Waren und der damit verbundene Personaleinsatz lassen sich so mit genügendem zeitlichen Vorlauf umplanen.

Doch nicht nur während des Transportes, sondern auch bei der Organisation von Lieferketten sorgt die digitale Transparenz für erhebliche Vorteile. In den meisten Unternehmen haben sich die Werkzeuge zur Planung und Organisation von Warentransporten in den letzten Jahren nicht verändert. Noch immer hantiert der Großteil der Disponenten mit Telefon, E-Mails, PDF-Dokumenten und Excel-Tabellen, wenn sie darüber entscheiden, welches Fuhrunternehmen einen ausgeschriebenen Transport zu welchen Bedingungen übernehmen soll.

Sind jedoch alle Akteure über eine Plattform digital miteinander vernetzt, wird die Suche nach dem geeignetsten Partner für einen konkreten Bedarf entscheidend vereinfacht. Angebot und Nachfrage lassen sich transparent zusammenführen, Transportprozesse automatisieren und optimieren. Die Auftraggeber profitieren von effizienteren und damit günstigeren Lieferungen, auch und insbesondere Händler mit nur kleinem Budget. Doch egal, wie hoch das Auftragsvolumen ist: Durch die Vernetzung einer potenziell unbegrenzten Anzahl von Akteuren steigt die Vielfalt an Auswahlmöglichkeiten – Lieferketten werden effizienter, Kosten sinken.

Ein Plus an Flexibilität und Nachhaltigkeit 

Zudem steigt die Flexibilität. So lassen sich über digitale Logistikplattformen viel einfacher auch kurzfristig Transporte oder Lieferungen mit geringen Volumen abwickeln. Dies ist ein zunehmend wichtiger Faktor für die Wettbewerbsfähigkeit des Handels. Denn Kund:innen wollen nicht nur schnell und zuverlässig mit ihren Bestellungen versorgt werden. Immer mehr Online-Shopper möchten Zeitpunkt und Lieferort auch noch nach der Bestellung verändern können. Die Vernetzung von Auftraggebern und Carriern auf digitalen Plattformen sorgt für die dafür notwendige Agilität bei der Organisation von Lieferketten.

Und auch bei der Erfüllung eines weiteren, immer bedeutender werdenden Kundenwunsches können Plattformen beitragen: Sie erhöhen die Nachhaltigkeit des Transportes. Denn mit der digitalen Vernetzung steigt die Wahrscheinlichkeit, dass Carrier am Zielort Folgeladungen ausfindig machen. Durch den Bündelungseffekt werden zusätzlich die vorhandenen Transportkapazitäten besser genutzt. So lassen sich verkehrsbelastende und umweltschädliche Leerfahrten vermeiden –  ein wichtiges Argument gegenüber einer zunehmend für ökologische Aspekte der Lieferkette sensibilisierte Kundschaft.

Fazit

Softwaregestützte Plattformen werden die Art und Weise der Organisation von Warentransporten grundlegend verändern. Durch die Vernetzung einer theoretisch unbegrenzten Anzahl von Teilnehmer:innen werden viele der oftmals starren Beziehungen zwischen einer begrenzten Anzahl von Akteuren aufgelöst. Echtzeit-Informationen sorgen für Transparenz – zugunsten von Effizienz und Agilität. Die Digitalisierung gibt dem Handel die richtigen Instrumente in die Hand, auf das Wachstum des E-Commerce-Sektors zu reagieren und die gesteigerten Ansprüche der Kund:innen an Zuverlässigkeit, Flexibilität und Nachhaltigkeit zu erfüllen.

Zur Person:

Tom Krause ist CEO des Hamburger Logistik-Technologie-Unternehmens Cargonexx. Das Unternehmen vernetzt Frachtführer mit verladenden Unternehmen aus der Logistikbranche und trägt damit zu mehr Effizienz und weniger Leerfahrten bei. Zuvor arbeitete Krause als Director Logistics Operations bei Delivery Hero und war dort verantwortlich für den Bereich Logistik bei foodora – insbesondere für die datengetriebene Automatisierung im Lieferkettenmanagement und die operative Leistungsoptimierung.