Herr Meyer, am 14. Oktober wurde eine Absichtserklärung für eine Wasserstoffkooperation im Osnabrücker Raum unterzeichnet. Erläutern Sie doch bitte einmal kurz die wesentlichen Ziele dieser jüngst gegründeten Kooperation.
Ja, gerne. Das Thema Wasserstoff ist ein Thema, welches derzeit in aller Munde ist und teilweise auch als Wunderwerk gesehen wird, um die ökologische Transformation voranzubringen. Ansatz dieser Kooperation ist, das Thema Wasserstoff lebbar, handhabbar zu machen, und zwar auf Basis von grünem Wasserstoff, den wir selber erzeugen wollen mit einem Elektrolyseur hier in der Region. Wir wollen uns aus eigener Erfahrung der Frage nähern, ob Wasserstoff eher in der Industrie angewandt werden kann oder auch im Logistikbereich.
Warum ist das KNI Gründungsmitglied in dieser Kooperation bzw. warum sollen sich Logistiker in dieser Intensität mit diesem Thema beschäftigen?
Die Logistikbranche allgemein beschäftigt sich intensiv mit dem Thema Wasserstoff, weil man davon ausgehen muss, dass die Transformation weg von fossilen Brennstoffen nicht allein - wie im Pkw-Bereich - über batterieelektrische Lösungen erfolgen wird. Diese wird es sicher auch geben, insbesondere im kürzeren Streckenverkehr. Aber es muss und wird auch andere Lösungsmöglichkeiten geben. Da Wasserstoff ein Gut ist, was einfach vorhanden ist und welches man einfach an einer Tankstelle tanken könnte, beschäftigt sich auch das KNI mit den Möglichkeiten, nicht nur Fahrzeuge zur Verfügung zu stellen, sondern auch die Genese von Wasserstoff, also den sogenannten Bereich des Well-to-Tank, abzudecken.
Gibt es schon konkrete Projekte, die im Rahmen dieser Wasserstoffkooperationen dann insbesondere für die Logistik von Bedeutung sein werden?
Ja, es ist angedacht, nicht nur grünen Wasserstoff durch den Elektrolyseur zu erzeugen und der großverbrauchenden Industrie hier in der Region zur Verfügung zu stellen, sondern mit dem Tankstellenbetreiber Q1 ist ein Unternehmen Teil dieser Kooperation, der diesen Wasserstoff an einer Tankstelle der Logistikbranche zur Verfügung stellen will. In diesem Zusammenhang sind bereits konkrete Standorte angedacht. Aktuell sind wir in der Mengenaufnahme für die Region. Es liegen schon erste unterschriebene LOIs vor. Es gibt ein klares Bekenntnis von führenden Logistikdienstleistern aus der Region, sich intensiv mit der Thematik zu beschäftigen und entsprechende Fahrzeuge für Versuche anzuschaffen.
Eine aktuelle Herausforderung ist der Aufbau der dafür erforderlichen Infrastruktur. Diese umfasst neben Lager- auch Umschlagmöglichkeiten, was ja typische logistische Aufgaben sind. Inwieweit sehen Sie denn die Logistik in der Verantwortung, auch in den Aufbau der Wasserstoffinfrastruktur zu investieren oder sehen Sie die Rolle der Logistikdienstleister eher im Bereich der Transporteure?
Dies ist eine gute und berechtigte Frage. In der fossilen Welt ist es heutzutage so, dass der Logistikdienstleister eigentlich anwenderbezogen unterwegs ist und von der Nutzfahrzeugindustrie mit Fahrzeugen nach seinen Wünschen versorgt wird. Die Verfügbarkeit von Kraftstoff ist ubiquitär, weil ein weltweites Tankstellennetz vorhanden ist. Deswegen konnte sich der Logistiker der Vergangenheit auf die Rolle des Transporteurs und des Beschaffers von entsprechenden Fahrzeugen fokussieren. Dies ist in der nahen Zukunft bei Wasserstoff aber nicht möglich, weil wir diese Grundinfrastruktur derzeit noch gar nicht haben. Sie muss zunächst aufgebaut werden wird auch in den nächsten Jahren nicht flächendeckend zur Verfügung stehen. Daher muss ich mich als Logistiker sowohl im Bereich Wasserstoff als auch im Bereich Batterieelektrik oder Oberleitung auch mit dem Thema der dafür erforderlichen Infrastruktur auseinandersetzen. Mit Blick auf den Wasserstoff muss ich die Möglichkeiten haben, grünen Wasserstoff zu tanken und damit bin ich aktuell schon mit in der Verantwortungskette, wie wir auch an unserem Projekt hier sehen.
Wenn wir auf das Thema Distribution schauen, dann gibt es zum Beispiel mit dem Projekt H2vorOrt Bestrebungen aus dem Bereich der Wasser- und Gasnetze, Wasserstoff einfach über die Gasverteilernetze verfügbar zu machen. Wird die Distribution von Wasserstoff über den Straßen- und Schienengüterverkehr damit nicht letztendlich nur eine Übergangslösung sein?
Ja, durchaus richtig. Das sehe ich genauso, es wird nur eine Übergangslösung sein können. Wasserstoff ist ein Gut mit einer nicht so hohen Energiedichte, wie wir dies aus den Bereichen von Ölen oder auch Erdgasen kennen. Wenn ich Wasserstoff über Straßen- und Schienenverkehre transportiere, dann muss ich es verdichten oder sogar runterkühlen, wie wir es heute beim LNG gerade erleben, da es nur sehr heruntergekühlt zu einer entsprechenden Energiedichte kommt. Daher gehen wir davon aus, dass die Verfügbarkeit von Wasserstoff auch an Tankstellen auf Dauer über Pipelinelösungen oder über Gasverteilnetze, die neu verteilt werden müssen, möglich gemacht werden sollte. Wir werden Wasserstoff als Lösung dort haben, wo wir grünen Wasserstoff über ein Leitungsnetz zur Verfügung stellen können. Dieses Netz wird jedoch nicht von heute auf morgen europaweit oder weltweit zur Verfügung stehen.
Für den Logistikdienstleister ist Wasserstoff auch als Energieträger von wesentlicher Bedeutung. Daher müssen wir uns am Ende des Tages auch mit der Antriebsfrage auseinandersetzen. Bei vielen Nutzfahrzeugherstellern gibt es inzwischen serienreife Fahrzeuge mit batterieelektrischem Antrieb – auch für den Fernverkehr. Fahrzeuge mit Brennstoffzelle sind -bis auf Hyundai - am Markt so gut wie nicht verfügbar. Ist die Entscheidung bezüglich der Antriebstechnologie am Markt nicht tendenziell schon längst entschieden?
Nein, das glaube ich nicht. Die Fahrzeughersteller haben alle das Problem, dass sie nicht genau wissen, welchen Entwicklungspfad batterieelektrische Antriebe in Zukunft wirklich gehen werden, insbesondere welche Effizienzen hier zu erzielen sind. Derzeit sind die Möglichkeiten, über batterieelektrische Fahrzeuge größere Strecken zu überwinden, die auch zu den Fahrerarbeitszeiten passen, also Größenordnungen von 350 – 400 km in einer Richtung und zurück, batterieelektrisch schon noch ein großes Problem. Deshalb beschäftigt sich ein Großteil der Fahrzeughersteller - ich nehme mal den Bereich rund um VW hier raus, die sich deutlich anders committed haben – auch damit, wasserstoffbetriebene Fahrzeuge zu entwickeln. Das erfolgt einerseits auf der Basis der Brennstoffzelle, die den Wasserstoff dann wieder in elektrischen Antrieb umsetzt, als auch als Wasserstoff-Direktverbrennung, welches momentan zunehmend zu beobachten ist.
Auch hier ist zu analysieren, wie die Versorgung mit Strom oder Wasserstoff überhaupt dargestellt werden kann. Die Transformation wird auch ein Thema der Netze und des Imports von Energie sein. Wir müssen davon ausgehen, dass wir Richtung 2050, wenn das Ziel „Emission Zero“ erreicht werden soll, weiterhin einen großen Import an Energie haben werden und dieser Import von Energie wird, sofern wir über den Import nachhaltiger Energie sprechen, wahrscheinlich nicht auf Basis von elektrischem Strom funktionieren können, zumindest, wenn wir außerhalb des europäischen Rahmens denken. Dieser Denkansatz wird jedoch notwendig sein, weil Zentraleuropa eben diese Menge an Energie nicht wird erzeugen können. Und dann wird Wasserstoff hier zur Verfügung stehen müssen, auch wenn hinsichtlich dieser Herausforderung im Moment noch nicht viel passiert. Zudem muss auch über 2050 hinaus nachgedacht werden.
Die Fahrzeugindustrie ist aber hinsichtlich wasserstoffbasierter Antriebstechnologie bereits „unterwegs“ und sagt, dass für die zweite Hälfte der Zwanzigerjahre Fahrzeuge in Serienreife auf dem Markt sein werden. Schon jetzt gibt es kleinere Hersteller, Sonderhersteller wie Faun, Clean Logistics und Hyzon, also nicht nur Hyundai, die sich mit wasserstoffbasierten Antriebstechnologien beschäftigen und diese Entwicklung vorantreiben.
Interessant ist allerdings der Ansatz von Hyundai, der deutlich weiter geht in seiner Entwicklung, indem sie die Fahrzeuge als Pay-per-Use-Modell zur Verfügung stellen und sich auch mit der Gestehung von grünem Wasserstoff auseinandersetzen. Hyundai engagiert sich in Projekten, in denen sie mit Windparks kooperieren, um aus Wind Strom zu erzeugen und mit diesem Strom dann Wasserstoff. Der so erzeugte Wasserstoff dient anschließend zur Betankung der Fahrzeuge, die den Transporteuren über das bereits erwähnte Pay-per-Use-Modell zur Verfügung gestellt werden sollen.
Wenn wir abschließend noch einmal auf die bereits oben skizzierte Projektidee der Wasserstoffkooperation mit dem Fokus auf die Logistik schauen. Können Sie diese Ideen noch ein wenig konkretisieren?
Dieses Projekt zielt auf die Errichtung einer Wasserstofftankstelle sehr nah an der Wasserstofferzeugung ab. Eine unmittelbare Nachbarschaft dieser Einrichtungen ist derzeit eher unwahrscheinlich, weil wir mit dem geplanten Erzeugungsstandort das Problem haben, dass wir wieder Verkehre in der Innenstadt induzieren würden. Das wollen wir nicht. Es gibt also bereits eine mit den Logistikern in Osnabrück abgestimmte konkrete Standortauswahl. Wir haben diesbezüglich klare Zusagen und sind gerade dabei, abzuschätzen, welche Fahrzeugmengen in den nächsten Jahren auf Wasserstoffbasis betrieben werden müssten, um so eine Tankstelle wirtschaftlich zu betreiben. Die derzeitige Mengenaufnahme stimmt uns allerdings sehr euphorisch, dass wir diese Idee in einer angemessenen Zeit wirtschaftlich umsetzen können.
Herr Meyer, ich bedanke mich recht herzlich für dieses Gespräch!
Zur Person: Rolf Meyer ist Mitinhaber und Mitglied des Aufsichtsrates der Meyer & Meyer Unternehmensgruppe (https://www.meyermeyer.com), Geschäftsführer der CityWOW! GmbH & Co. KG (https://www.city-wow.de) sowie langjähriger Vorstand des KNI - Kompetenznetz Individuallogistik e.V. (https://www.k-n-i.de). |